Hallo allerseits,
nachdem im Kugelsternhaufen-Thread Interesse bekundet wurde, schreibe ich hier etwas ueber Kosmologie.
1. Friedmanngleichung
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Wichtig ist zuerst das "kosmologische Prinzip": Jeder Punkt im Raum ist gleichberechtigt. Es macht keinen Unterschied, wo im Universum man sich befindet - es sieht immer gleich aus. Physiker machen so etwas gerne, weil dann alles sehr kugelsymmetrisch und damit gut zu rechnen ist. Diese Annahme beschreibt die so genannte (Friedmann-Lemaitre-) Robertson-Walker-Metrik. Eine Metrik ist so etwas wie eine Abstandsdefinition. Einfach gesagt ist ein Zollstock eine Metrik, weil es vorgibt, wie Abstaende zu messen sind. Im gekruemmten Raum (z.B. auf einem Fussball) ist das naturgemaess schwieriger, weil man den Zollstock "biegen" muss.
Dann ist auch wichtig: Wir benutzen die Relativitaetstheorie. Sprich: Der Raum erzeugt Schwerkraft, indem er gekruemmt ist, was durch die "Einsteingleichung" beschrieben wird. Dann rechnet man eine Weile rum und bekommt mit Hilfe der Metrik oben die Friedmanngleichung:
( Zeitliche Aenderung des Skalenfaktors ) 2
( -------------------------------------------- ) = Konstanten * Dichte + (andere Konstanten) * Kruemmung
( Skalenfaktor )
Die Friedmanngleichung beschreibt die zeitliche Entwicklung des Skalenfaktors. Der Skalenfaktor ist ein Mass dafuer, wie gross das Universum ist. Am Anfang / Urknall war er null, heute ist er per definition 1. Auf der anderen Seite der Gleichung steht im Prinzip die Dichte des Universums und die Kruemmung des Universums. Ist das Universum flach, ist die Kruemmung null. Ist das Universum gekruemmt wie ein Ball, ist sie 1, ist es gekruemmt wie ein Sattel oder eine umgeklappte Orange, ist sie -1. Sowohl dieser Faktor als auch die Dichte des ganzen Universums sind schwer zu bestimmen. Deswegen rechnet man eine weitere Weile rum: Es gibt eine Dichte, bei der die Kruemmung null wird: ich nenne sie die "kritische Dichte". Jetzt teile ich die tatsaechliche Dichte durch die kritische Dichte und nenne das Ganze "Dichteparameter". Wenn der Parameter 1 ist, ist die Dichte die kritische Dichte und das Universum ist flach. Ist sie groesser als 1, ist das Universum "offen" und die Kruemmung ist -1 und ist der Parameter kleiner als 1, ist die Kruemmung 1 und das Universum ist "geschlossen". Die Dichteparameter zu bestimmen ist also *die* Hauptaufgabe in der Kosmologie.
2. Modelle des Universums
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Im Universum gibt es mehrere verschiedene Substanzen: Es gibt Strahlung, es gibt Materie. Beide koennen miteinander interagieren: Ein Stern faellt nicht zusammen, weil der Strahlungsdruck aus dem Inneren der Schwerkraft entgegenwirkt. Mit Hilfe dieser beiden Substanzen ist z.B. der Zusammenhalt der Galaxien nicht erklaerbar. Man braucht eine dritte Substanz, die nicht mit Strahlung wechselwirkt, aber gravitativ mit Materie. Man nennt sie "dunkle Materie". Fehlt noch Eines: Man beobachtet, dass das Universum sich immer schneller ausdehnt. Wir brauchen eine Substanz, die dafuer verantwortlich ist, und nennen sie aus historischen Gruenden "kosmologische Konstante".
Jetzt haben wir vier Substanzen: Strahlung, Materie, dunkle Materie und kosmologische Konstante. Jede dieser Substanzen hat eine Dichte, also auch einen Dichteparameter. Das kommt alles in die Friedmanngleichung rein und sofort kann man sie nicht mehr loesen, weil sie zu kompliziert gewodren ist. Seltsam, oder? Kaum macht man das Modell etwas sinnvoller, ist es gleich unmoeglich, es zu rechnen!
Die Natur hilft uns: Die verschiedenen Substanzen waren in der Geschichte des Universums unterschiedlich wichtig. Die ersten 10.000 Jahre ging es hauptsachlich um Strahlung. Also vernachlaessigen wir den Rest. Genauso machen wir das mit Materie in den dann folgenden Jahren bis heute. Langsam wird die kosmologische Konstante dominant - die naechste Epoche beginnt und wir sehen zu.
Mit diesen Einteilungen kann man die Groesse des Universums gut berechnen - mit der Einschraenkung, dass die Kruemmung immer noch unbekannt ist. Und die kann alles aendern: Ist das Universum geschlossen (Kruemmung 1), faellt es irgendwann wieder in sich zusammen. Ist es offen (Kruemmung -1), dehnt es sich in alle Ewigkeit aus. Im Fall ohne Kruemmung haelt die Expansion irgendwann an.
3. Kosmische Hintergrundstrahlung
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Nach dem Urknall dehnt sich das Universum total schnell um einen Faktor 10^60 (1.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000) aus, was man als Inflation bezeichnet. Inflation entsteht durch ein Quantenfeld, das nach Ende der Inflation in Materie zerfaellt. Dunkle Materie ist zufaellig im Raum verteilt (was genau der Grund dafuer ist, dass die kosmische Hintergrundstrahlung so homogen ist) und verklumpt langsam. Auf diese Klumpen an dunkler Materie fallen Schwaden an "normaler Materie" und Strahlung. Normale Materie und Strahlung sind fest verbunden und kommen sozusagen nicht voneinander los, was dazu fuehrt, dass die auf die dunkle Materie fallenden Schwaden sich aufheizen und sich deswegen wieder ausdehnen. Dann sind sie viel weniger dicht und fallen wieder in sich zusammen. So geht das einige Zeit weiter, bis irgendwann Materie und Strahlung "entkoppeln". Die Strahlung entweicht, es entsteht die kosmische Hintergrundstrahlung, und die normale Materie faellt auf die Haufen an dunkler Materie. So entstehen Galaxienhaufen.
Die kosmische Hintergrundstrahlung war praktisch "live dabei", als das Universum entstand. Deswegen enthaelt sie viele Informationen ueber die wesentlichen kosmologischen Parameter. Die Satelliten COBE, WMAP und neustens auch PLANCK haben diesen Hintergrund sehr genau untersucht (bzw. sind noch dabei) und haben so sehr genau u.A. die Dichte und die Kruemmung des Universums vermessen. Ergebnisse sind:
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! Das Universum ist flach! !
! Das Universum besteht nur zu 4% aus Materie, zu 21% aus dunkler Materie und zu 75% aus "kosmologischer Konstante"! !
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Das wirft natuerlich weitere Fragen auf, wie z.B. warum das Universum flach ist und was dunkle Materie eigentlich ist - von der kosmologischen Konstante ganz zu schweigen.
Die erste Frage (warum das Universum flach ist), wird gut durch die Inflationstheorie erklaert. Fuer dunkle Materie gibt es auch Theorien, die am LHC-Teilchenbeschleuniger am CERN geprueft werden koennen. Auch fuer die kosmologische Konstante gibt es Theorien, die aber zur Zeit nicht ueberpruefbar sind. Spannende Zeiten!
cs,
Christoph
nachdem im Kugelsternhaufen-Thread Interesse bekundet wurde, schreibe ich hier etwas ueber Kosmologie.
1. Friedmanngleichung
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Wichtig ist zuerst das "kosmologische Prinzip": Jeder Punkt im Raum ist gleichberechtigt. Es macht keinen Unterschied, wo im Universum man sich befindet - es sieht immer gleich aus. Physiker machen so etwas gerne, weil dann alles sehr kugelsymmetrisch und damit gut zu rechnen ist. Diese Annahme beschreibt die so genannte (Friedmann-Lemaitre-) Robertson-Walker-Metrik. Eine Metrik ist so etwas wie eine Abstandsdefinition. Einfach gesagt ist ein Zollstock eine Metrik, weil es vorgibt, wie Abstaende zu messen sind. Im gekruemmten Raum (z.B. auf einem Fussball) ist das naturgemaess schwieriger, weil man den Zollstock "biegen" muss.
Dann ist auch wichtig: Wir benutzen die Relativitaetstheorie. Sprich: Der Raum erzeugt Schwerkraft, indem er gekruemmt ist, was durch die "Einsteingleichung" beschrieben wird. Dann rechnet man eine Weile rum und bekommt mit Hilfe der Metrik oben die Friedmanngleichung:
( Zeitliche Aenderung des Skalenfaktors ) 2
( -------------------------------------------- ) = Konstanten * Dichte + (andere Konstanten) * Kruemmung
( Skalenfaktor )
Die Friedmanngleichung beschreibt die zeitliche Entwicklung des Skalenfaktors. Der Skalenfaktor ist ein Mass dafuer, wie gross das Universum ist. Am Anfang / Urknall war er null, heute ist er per definition 1. Auf der anderen Seite der Gleichung steht im Prinzip die Dichte des Universums und die Kruemmung des Universums. Ist das Universum flach, ist die Kruemmung null. Ist das Universum gekruemmt wie ein Ball, ist sie 1, ist es gekruemmt wie ein Sattel oder eine umgeklappte Orange, ist sie -1. Sowohl dieser Faktor als auch die Dichte des ganzen Universums sind schwer zu bestimmen. Deswegen rechnet man eine weitere Weile rum: Es gibt eine Dichte, bei der die Kruemmung null wird: ich nenne sie die "kritische Dichte". Jetzt teile ich die tatsaechliche Dichte durch die kritische Dichte und nenne das Ganze "Dichteparameter". Wenn der Parameter 1 ist, ist die Dichte die kritische Dichte und das Universum ist flach. Ist sie groesser als 1, ist das Universum "offen" und die Kruemmung ist -1 und ist der Parameter kleiner als 1, ist die Kruemmung 1 und das Universum ist "geschlossen". Die Dichteparameter zu bestimmen ist also *die* Hauptaufgabe in der Kosmologie.
2. Modelle des Universums
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Im Universum gibt es mehrere verschiedene Substanzen: Es gibt Strahlung, es gibt Materie. Beide koennen miteinander interagieren: Ein Stern faellt nicht zusammen, weil der Strahlungsdruck aus dem Inneren der Schwerkraft entgegenwirkt. Mit Hilfe dieser beiden Substanzen ist z.B. der Zusammenhalt der Galaxien nicht erklaerbar. Man braucht eine dritte Substanz, die nicht mit Strahlung wechselwirkt, aber gravitativ mit Materie. Man nennt sie "dunkle Materie". Fehlt noch Eines: Man beobachtet, dass das Universum sich immer schneller ausdehnt. Wir brauchen eine Substanz, die dafuer verantwortlich ist, und nennen sie aus historischen Gruenden "kosmologische Konstante".
Jetzt haben wir vier Substanzen: Strahlung, Materie, dunkle Materie und kosmologische Konstante. Jede dieser Substanzen hat eine Dichte, also auch einen Dichteparameter. Das kommt alles in die Friedmanngleichung rein und sofort kann man sie nicht mehr loesen, weil sie zu kompliziert gewodren ist. Seltsam, oder? Kaum macht man das Modell etwas sinnvoller, ist es gleich unmoeglich, es zu rechnen!
Die Natur hilft uns: Die verschiedenen Substanzen waren in der Geschichte des Universums unterschiedlich wichtig. Die ersten 10.000 Jahre ging es hauptsachlich um Strahlung. Also vernachlaessigen wir den Rest. Genauso machen wir das mit Materie in den dann folgenden Jahren bis heute. Langsam wird die kosmologische Konstante dominant - die naechste Epoche beginnt und wir sehen zu.
Mit diesen Einteilungen kann man die Groesse des Universums gut berechnen - mit der Einschraenkung, dass die Kruemmung immer noch unbekannt ist. Und die kann alles aendern: Ist das Universum geschlossen (Kruemmung 1), faellt es irgendwann wieder in sich zusammen. Ist es offen (Kruemmung -1), dehnt es sich in alle Ewigkeit aus. Im Fall ohne Kruemmung haelt die Expansion irgendwann an.
3. Kosmische Hintergrundstrahlung
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Nach dem Urknall dehnt sich das Universum total schnell um einen Faktor 10^60 (1.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000) aus, was man als Inflation bezeichnet. Inflation entsteht durch ein Quantenfeld, das nach Ende der Inflation in Materie zerfaellt. Dunkle Materie ist zufaellig im Raum verteilt (was genau der Grund dafuer ist, dass die kosmische Hintergrundstrahlung so homogen ist) und verklumpt langsam. Auf diese Klumpen an dunkler Materie fallen Schwaden an "normaler Materie" und Strahlung. Normale Materie und Strahlung sind fest verbunden und kommen sozusagen nicht voneinander los, was dazu fuehrt, dass die auf die dunkle Materie fallenden Schwaden sich aufheizen und sich deswegen wieder ausdehnen. Dann sind sie viel weniger dicht und fallen wieder in sich zusammen. So geht das einige Zeit weiter, bis irgendwann Materie und Strahlung "entkoppeln". Die Strahlung entweicht, es entsteht die kosmische Hintergrundstrahlung, und die normale Materie faellt auf die Haufen an dunkler Materie. So entstehen Galaxienhaufen.
Die kosmische Hintergrundstrahlung war praktisch "live dabei", als das Universum entstand. Deswegen enthaelt sie viele Informationen ueber die wesentlichen kosmologischen Parameter. Die Satelliten COBE, WMAP und neustens auch PLANCK haben diesen Hintergrund sehr genau untersucht (bzw. sind noch dabei) und haben so sehr genau u.A. die Dichte und die Kruemmung des Universums vermessen. Ergebnisse sind:
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! Das Universum ist flach! !
! Das Universum besteht nur zu 4% aus Materie, zu 21% aus dunkler Materie und zu 75% aus "kosmologischer Konstante"! !
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Das wirft natuerlich weitere Fragen auf, wie z.B. warum das Universum flach ist und was dunkle Materie eigentlich ist - von der kosmologischen Konstante ganz zu schweigen.
Die erste Frage (warum das Universum flach ist), wird gut durch die Inflationstheorie erklaert. Fuer dunkle Materie gibt es auch Theorien, die am LHC-Teilchenbeschleuniger am CERN geprueft werden koennen. Auch fuer die kosmologische Konstante gibt es Theorien, die aber zur Zeit nicht ueberpruefbar sind. Spannende Zeiten!
cs,
Christoph
(xkcd.com)