Pelikannebel IC5070 im August/Oktober 2023

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    • Pelikannebel IC5070 im August/Oktober 2023

      Hallo liebe Sternfreunde,

      hier ist das fertige Bild des Pelikannebels.
      Es ist die erste Aufnahme, die ich mit dem 350mm-APO auf der EQ5 in Bergfelde machen konnte.
      Hier die Daten zum Bild:
      Aufn. v. 18./19. August und 15./16. Oktober 2023
      ZWO ASI294mmPro an 350mm/f5-APO
      Montierung: Skywatcher-EQ5
      Guiding: PHD2
      Aufn. in R:4x3'; G:5x3'; B:6x3';CLS-CCD: 5x500"; Ha: 8x3' und 5x5'
      Bearbeitung: PI,PS,Starnet++,NeatImage
      sehr gute Aufnahmebedingungen (seeing!)






      Bei den Flats war mir ja ein Maleur passiert. Für diese Aufnahme hatte ich keine Flats. Da ich das Bildfeld (fast) immer so orientiere, dass Norden entw. oben oder rechts ist, konnte
      ich zur Not auf Flats späterer Aufnahmen zurückgreifen.
      Die Bearbeitung ist zunehmend mit PixInsight erfolgt. Z.B. habe ich hier zum ersten Mal die Spektro-Photometrische-Farbkalibrierung (SPCC) durchgeführt.
      Sehr gut hat mir auch das Script "DarkStructureEnhance" gefallen. Es verstärkt den Kontrast dunkler Nebelpartien.
      Zuerst aus den RGB und den CLS-CCD ein LRGB erstellt. Leicht gestreckt und dann in Sterne und Hintergrund separiert.
      Auf die Sterne den SPCC-Prozess angewandt.
      Beim Hintergrund den Rot-Kanal mit dem 5'-Ha-Kanal getauscht und farblich abgeglichen.
      Aus den beiden Aufnahmeserien in Ha habe ich ein HDR erstellt. Im Prinzip waren bei den 5'-Aufnahmen nur die hellsten Nebelpartien überbelichtet.
      Das HDR habe ich noch in Luminanz rübergelegt.
      Die Detailfülle der Aufnahme ist schon sehr beeindruckend. Farblich wollte ich sehr dezent bleiben.
      Auch die Verringerung des Rauschens habe ich sehr vorsichtig durchgeführt.

      Mit dem Bild bin ich sehr zufrieden.

      *

      Der Pelikannebel bildet zusammen mit dem Nordamerikanebel einen riesigen Gas/Staub-Komplex, der auch als W80 bezeichnet wird
      (nach dem Namensgeber Westerhout 1958). Die Suche nach Sternen, die zur Ionisierung des Gases führt,
      geht bis auf Hubble in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts zurück. Im Jahre 2005 erschien dieser berühmt gewordene Artikel,
      den ich hier verlinkt habe: caha.es/newsletter/news05b/Comeron/ngc7000.html
      In diesem Artikel des Calar-Alto-Observatoriums zeigen die Autoren Comeron&Pasquali, wie sie den Stern J205551.3+435225
      als wesentliche Quelle der Ionisation des Nebelkomplexes identifiziert haben. Ich finde diesen Artikel schon deshalb schön,
      weil die Freude darüber so gut zu spüren ist.
      Die 2MASS-Bezeichnung des Sternes, die die J2000.0-Koordinatenenthält, macht die Suche nach dem Objekt einfach. Hier ist ein Ausschnitt des großen Bildes mit "Florida", dem "Golf von Mexiko" und en "Bahamas".
      Der Pfeil weist auf den Stern (zwischen den Schultern des "Kleinen Orion" - eine nette Konstellation).





      Diesem rötlichen 13mag-Stern sieht man wirklich nicht an, dass es sich hier um einen O5V-Stern mit über 40000K Oberflächentemperatur und
      40-60 Sonnenmassen bei ein paar Hunderttausend Sonnenleuchtkräften handelt. Er liegt hinter der Dunkelwolke, die den Pelikannebel vom Nordamerikanebel trennt. Die Extinktion beträgt 9 bis 10 Magnituden. Die Rötung ist durch die Streuung an den Staubteilchen bedingt.
      Er hat sogar einen Namen, nämlich Bajamar-Star, nach der ursprünglichen spanischen Bezeichnung für die Bahamas.
      Comeron und Pasquali weisen in dem Artikel auch darauf hin, dass es sich hier um ein Einzelobjekt handelt, welches keinem jungen Sternentstehungshaufen anzugehören scheint.
      W80 ist ein intensives Forschungsobjekt geblieben. Im Dezember 2020 sind mit Veröffentlichung des Gaia EDR3-Kataloges die Grundlagen
      der Forschung revolutioniert worden. Der Gaia EDR3-Katalog ist eine Vorab-Veröffentlichung des Gaia DR3-Katalogs, welche aber bereits
      die kompletten astrometrischen Daten incl. Eigenbewegung und Radialgeschwindigkeit mit wesentlich höherer Genauigkeit enthält.
      Seither können Struktur und Dynamik des Nebels und der Sterne viel besser untersucht werden.
      So erschien bereits Dezember 2020 dieser Artkel von Kuhn&Hillenbrand:
      iopscience.iop.org/article/10.3847/2515-5172/abd18a
      Hier werden insbesondere die dynamischen Eigenschaften des Bajamar-Stars untersucht. Er entfernt sich mit moderater (nicht zu hoher) Geschwindigkeit vom Ort seiner Entstehung (tangential 6km/s werden angegeben) , hier als Cluster "D" benannt.
      Dieser Cluster liegt teilweise im Kopf des Pelikans und östlich davon.
      Neueren Arbeiten über Sterne im W80-Komplex zufolge ist die Tatsache, dass sich sehr massive Einzelobjekte relativ schnell vom Ort ihrer Entstehung in den Clustern entfernen, durchaus kein Einzelfall. Das würde Konsequenzen für die Dynamik junger offener Haufen, als auch für den ganzen Komplex haben.
      Und sicher nicht nur für den W80-Komplex.
      Ein spannendes Thema!

      Übrigens konnte ich bei der Netzrecherche hier nicht vermeiden, mal ein Blick auf die Angebote für ein 135mm-ASKAR-Reise-APO zu werfen.
      Genau die richtige Optik für den Gesamtkomplex!

      Ich wünsche Euch viele schöne klare Nächte.

      Michael
      Ich bin Michael
      Mein Beobachtungsplatz ist der Balkon meiner Wohnung in der Hennigsdorfer Innenstadt.
      Der Balkon ist in der vierten (obersten) Etage eines Wohnhauses. Er liegt in fast perfekter Südlage mit sehr guter Horizontsicht.
      Meine besondere Leidenschaft gilt der Fotografie weit südlich stehender Objekte.

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von Micha314 ()

    • Hallo Michael,

      das ist wieder eine sehr schöne Aufnahme, sehr eindrucksvoll und super bearbeitet !

      Du hast es wirklich drauf und der kleine Apo leistet gute Arbeit.
      Mit meinem 480mm TS-Apo bin ich auch sehr zufrieden obgleich ich keine aufwändige DS-Astrofotografie betreibe und auf absehbare Zeit nicht betreiben werde.
      Schon weil ich momentan keine Lust habe, meine knappe Zeit in die Einarbeitung in PI zu investieren - und ohne das darf man sich wohl in diesem Bereich nichtmehr sehen lassen ;) .
      Es mag sehr mächtig sein aber wohl eher nicht intuitiv zu bedienen.

      Danke für die umfangreichen Infos zum Objekt und für den Link zum "ionisierenden Stern".
      Ein sehr spannender Artikel.
      Danke daß es auch weiterhin bei Dir nicht nur beim "schönen Bild" bleibt, was vielen ja inzwischen genügt, sondern daß die Astronomie und Astrophysik dahinter nicht zu kurz kommt.
      Darum geht es ja eigentlich bzw. sollte es gehen.
      Alles Gute und klaren Himmel wünscht

      Martin

      Was bleibt uns jetzt zu tun übrig ? Nach vorne blicken und Optimismus wagen !!
    • Hallo Michael,

      danke für das Bild und die Informationen darüber hinaus, die ich mit Interesse gelesen habe. Wahnsinn was der Stern da oben so bewirkt!

      Aufnahmetechnisch super - da gibt es nichts zu meckern! Bei der Farbkalibrierung kannst Du aber die Nebel mitnehmen. Dann passt es wahrscheinlich im Gesamtkonzept von den Farben.
      Klaren Himmel wünschen

      Antina und Karsten

      astrokarsten.wix.com/farbe-des-universums/

      Astrobin
    • Hallo liebe Sternfreunde,

      vielen Dank für Eure Rückmeldungen, ich habe mich darüber gefreut.
      Martin, ich denke DS-Fotografie geht auch ohne PixInsight. PI benutze ich ja auch erst seit etwa 1/2 Jahr. Für mich hat sich die Einarbeitungszeit wirklich gelohnt, obwohl ich mich immer noch einarbeite. Hat bis jetzt auch viel Zeit in Anspruch genommen. Bei praktisch jedem der Prozesse
      habe ich an allen möglichen Einstellungen geschraubt und Notizen gemacht.
      Dass es viel Zeit kostet habe ich vorher geahnt und habe das auch Jahre vor mir hergeschoben.
      Jetzt bin ich froh drüber, mit diesem Programm arbeiten zu können. Geht Schritt für Schritt.
      Antina&Karsten, im Augenblick ist die Farbkalibrierung dran. Und diese Kalibrierung mit und ohne Sternen werde ich dann untereinander vergleichen.
      Noch etwas zu dem astrophysikalischen Hintergrund:
      Eigentlich war ich auf der Suche nach Information zu diesem kleinen Nebel, der etwas westlich vom Pelikan liegt. Es gibt da einen Artikel von 2004,
      in dem Comero/Pasquali/Torra diesen Nebel untersucht haben. Sein Name: G84.0+0.8 (galaktische Koordinaten).
      Im Ergebnis sind sie sich nicht völlig schlüssig über die Physik des Nebels, einer HII-Region mit einem kleinen Sternhaufen drin. Das lag damals in der großen Unsicherheit in der Entfernung begründet. Neuere Sachen waren nicht zu finden, obwohl ich denke, dass es da schon was Neues geben wird.
      Jedenfalls bin ich über die Autoren so zu dem "Bajamar-Star" gelangt. Die Sachen hierüber haben mich völlig begeistert.
      Schließlich habe ich gerade eben jetzt die drei Dateien des GaiaEDR3-Kataloges für Cart du Ciel heruntergeladen. Das ist ja gegenwärtig das
      Genaueste bei den Parallaxen.
      Ein Problem habe ich mitCdC: In demHilfstext für die GaiaEDR3-Implementierung heißt es, das eine CdC-Version 4.3.4238 erforderlich ist,
      um diesen Datenbestand voll nutzen zu können. Das sind aber offenbar noch keine offiziellen Versionen. Weiß einer, wie man so was hinbekommt?
      Ein Problem mit meiner 4.2er-Version von CdC ist zum Beispiel, dass die visuellen Helligkeiten aus den Daten ("G","RP","GP"-Helligkeiten) nicht korrekt berechnet werden. Der Datenbestand umfasst diese drei Werte, aus denen sich die Johnson-V-Helligkeit re cht einfach berechnet. Formeln dafür gibt es im Netz. (Das liegt daran, dass die Sensoren der Gaia-Mission ein etwas ins UV und Nahinfrarot erweiterten Frequenzbereich haben).
      Zu guter letzt ist hier noch eine Ausschnittsvergrößerung mit G84.0+0.8. Natürlich ist eine 350mm-Optik nicht so richtig geeignet. Ist aber auch ausgespochen schwierig, Bilder von dem Nebel im Netz zu finden...

      *
      PS.: Hab das kleine Bildchen eben nicht hochladen können. Schau ich morgen noch mal nach.
      Ach und noch was: Der ASKAR 135 ist unterwegs..

      Wünsch Euch viele schöne klare Nächte

      Michael
      Ich bin Michael
      Mein Beobachtungsplatz ist der Balkon meiner Wohnung in der Hennigsdorfer Innenstadt.
      Der Balkon ist in der vierten (obersten) Etage eines Wohnhauses. Er liegt in fast perfekter Südlage mit sehr guter Horizontsicht.
      Meine besondere Leidenschaft gilt der Fotografie weit südlich stehender Objekte.

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von Micha314 ()

    • Hallo Michael,

      Micha314 schrieb:

      Martin, ich denke DS-Fotografie geht auch ohne PixInsight.
      natürlich geht das auch.
      Ich habe das auch nicht ganz ernst gemeint.
      Ich spiele damit ein wenig auf den Astro-Mainstream an.
      Was könnte man wohl anderes in diesem Hobby tun als Deep Sky Astrofotografie ? Wer auf sich hält mit überwiegend in Rot gehaltenem Equipment, natürlich Remote, gesteuert über NINA und anschließend bearbeitet in PI. :D
      Dann das Bild gepostet, möglichst viele Likes kassieren und weiter zum Nächsten. ;)

      Natürlich satirisch überspitzt dargestellt.

      Ich war nie wirklich ein Rebell aber dem Mainstream bin ich gewöhnlich instinktiv etwas ausgewichen, wo sich größere Gruppen bilden bin ich gewöhnlich eher nicht zu finden.
      Sogar bei der Forenfrage - ich bin auch noch in einem anderen, größeren Forum angemeldet und habe mich da schreibend praktisch komplett wieder zurückgezogen.
      Hier gefällt es mir einfach besser.

      Um zu Deinen Arbeiten, Deinen Bildern zurückzukehren:
      Mir gefällt Deine Konzept, Deine klare Linie der Objektauswahl und ganz besonders gefällt mir neben den sehr gelungenen Aufnahmen das umfangreiche HIntergrundwissen zu den Objekten.
      Bei Dir erhalten die Bilder Seele.

      Mach bitte weiter damit !
      Alles Gute und klaren Himmel wünscht

      Martin

      Was bleibt uns jetzt zu tun übrig ? Nach vorne blicken und Optimismus wagen !!
    • Hallo liebe Sternfreunde,

      vielen Dank für die Rückmeldungen. Ich freue mich immer sehr darüber.
      Martin, was Du geschrieben hast, entsprach sehr meiner eigenen Seele.
      Ich möchte den Astro-Mainstream überhaupt nicht heruntersetzen. Irgendwie spüre ich aber, dass die Zeit, die ich einem Bild, einem Objekt widme,
      einen Unterschied macht. Ich bin sicherlich in der guten Position, dass ich nicht mehr berufstätig bin. Daher kann ich mir i.d.R. immer die
      Zeit für Bildbearbeitung, Internetrecherche u.s.w. nehmen. Für mich am Wichtigsten sind jedoch die Stunden, die ich unter den Sternen
      verbringen kann, und die mir sehr dabei helfen, Gelassenheit in jederlei Hinsicht zu spüren.
      Diese Gelassenheit kann m.E. auf der Grundlage soliden Wissens sehr verstärkt werden. Und spätestens soll dann auch die Astrophysik hereinkommen.
      So gesehen möchte ich immer ein Lernender bleiben.

      *

      Hier habe ich nun doch das Bildchen von G84.0+0.8 (oder GN20.43.9 - mit Äquatorialkoordinaten im Bezeichner) hochgeladen.
      Natürlich sind hier größere Brennweiten nötig. Aber dieses Objekt ist im Netz so gut wie nicht zu finden, was angesichts seiner Helligkeit doch recht merkwürdig ist.





      Das Bild ist im Vergleich zum Original um etwa 1/3 vergrößert. Die Sternenscheibchen könnten sicherlich etwas Dekonvolution vertragen.
      Ich habe anhand dieses Ausschnittes die Grenzgröße der Aufnahme mit 19mag bestimmt. Ist in etwa das, was ich vermutet habe.
      Als Bestimmungskatalog nehme ich den GaiaEDR3, den ich vor Kurzem in CdC eingebunden habe.
      Wegen der Angaben zu den Helligkeitswerten: G,BP,RP möchte ich auf fogenden link verweisen:
      bav-astro.eu/rb/rb2022-2/111.pdf
      Dieser Beitrag enthält auch die Formel, nach der sich die Johnson-V-Helligkeit berechnen lässt, hier noch mal explizit:
      G-V = -0.02704 + 0.01424*X - 0.2156*X² + 0.01426*X³, wobei X = BP-RP ist, und V für die Johnson-V-Helligkeit steht.
      Nun, CdC ermittelt auch Angaben für die visuelle Helligkeit. Bei dem Bajamar-Stern kommt bei CdC 10,9mag heraus.
      Nehme ich die o.g. Formel, dann erhalte ich 12,9mag.
      Nehme ich das eigene Bild, so würde ich die Helligkeit zu 12 bis 13mag schätzen.
      Ich könnte verstehen, dass die o.g. Formel für diesen Stern nicht mehr anwendbar ist, weil die Strahlung durch die starke Wellenlängenabhängigkeit
      der Extinktion der Dunkelwolke keiner Schwarzkörperstrahlung mehr entspricht.
      Aber so was? Bin da etwas verwirrt. Habt Ihr eine Ahnung?
      Zum Glück trifft das alles nur auf den Bajamar-Stern zu, bei anderen Sternen gibt's keine Differenzen.

      Übrigens ist es erstaunlich, wie fehlerbehaftet ältere Sternkataloge bei lichtschwachen Sternen sind (nomad...). Bin froh, dass ich jetzt die
      insgesamt 60GB des GaiaEDR§ heruntergeladen habe.

      ich wünsche Euch viele schöne klare Nächte (ha!, das wär's mal wieder! )

      Micha
      Ich bin Michael
      Mein Beobachtungsplatz ist der Balkon meiner Wohnung in der Hennigsdorfer Innenstadt.
      Der Balkon ist in der vierten (obersten) Etage eines Wohnhauses. Er liegt in fast perfekter Südlage mit sehr guter Horizontsicht.
      Meine besondere Leidenschaft gilt der Fotografie weit südlich stehender Objekte.